Questenberg – Kirche St. Marien

Kirchengemeinde Questenberg

Aufgrund seiner interessanten Lage im tiefen Tal eines Karstgebiets im Südharz hat Questenberg und der dazugehörige Ort Agnesdorf immer einen eigenen Charakter behalten. Als letzter in Questenberg wohnender Pfarrer ging im Jahre 1910 Pfr. Unbekannt in den Ruhestand. Anschließend wechselten die kirchlichen Zuständigkeiten für diesen Ort vielfach, bis Questenberg seit den achtziger Jahren zuerst von Dittichenrode und dann von Roßla aus kirchlich betreut wurde. In Questenberg finden monatliche Gottesdienste statt, die oft auch am Samstag Spätnachmittag gefeiert werden. Ebenfalls in monatlichen Abständen sind alle Singfreudigen zum „Lobpreis“, dem Singen von neuen christlichen Liedern in die Kirche eingeladen.In der Adventszeit findet jeweils das traditionelle und qualitativ hochwertige Adventskonzert mit dem „Gemischten Chor Questenberg“ statt.

Der Höhepunkt des kirchlichen Lebens in Questenberg ist neben dem Weihnachtsgottesdienst der Gottesdienst am Pfingstmontag, dem Termin für das „Questenfest“. Ursprünglich war das „Questenfest“ ein germanisches Sonnenwendfest, dass mit der Christianisierung des Gebiets im 8. Jahrhundert „katholisiert“ und auf Pfingstmontag verlegt wird. Auf einem Berg über dem Ort wird morgens die Queste, ein Kranz auf grünen Zweigen, der Fruchtbarkeit symbolisiert, aufgerichtet, wenn die Sonne über die Berge steigt. Anschließend gehen alle Dorfbewohner fast geschlossen zum Gottesdienst.

Auch wenn nur noch knapp 25% der Einwohner von Questenberg zur Kirche gehören, so gehört doch die Kirche St. Mariä Geburt zum Dorf dazu.

Kirche St. Marien

Die Besonderheit der heutigen Kirche St. Marien in Questenberg liegt im hohen Alter des mittelalterlichen Chores, der wahrscheinlich bereits in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts gebaut wurde und der um 1305 urkundlich belegten Pfarrkirche in Questenberg entspricht. Der Chor ist dreiseitig ausgelegt und wird mit einem Triumphbogen abgeschlossen, der die Form eines gedrückten Spitzbogens mit ungebrochener gerade Leibung besitzt und der heute den Chor mit dem Kirchenschiff verbindet. Er ist mit einem scharfgratigen oder Zellengewölbe bedeckt. In der Ostwand des Chores befindet sich ein kleines, im stumpfen Spitzbogen gedecktes Fenster ohne Maßwerk, dass ebenfalls aus dem 13. Jahrhundert stammt. Die beiden Fenster an der Nord- und Südwand mit Vierpassmaßwerk und gekehlten Pfosten stammen dagegen aus dem 15. Jahrhundert.

Der mittelalterliche Chorraum ist im Zuge einer Kirchenerneuerung 1781 durch ein Fachwerkgeschoss überhöht wurden, dass die Kirchenglocken trägt. Die kultur- und kunstgeschichtliche Bedeutung des in der gesamten Region singulär erhaltenen mittelalterlichen Chorraumes ist deshalb in heutiger Zeit nicht mehr von Außen, sondern nur aus dem Innenraum heraus deutlich zu erkennen.

Das Langhaus der heutigen Kirche wurde 1781 mit Mauern aus Feld- und Bruchsteinen neu errichtet. Dabei wurde der Triumphbogen vermauert und der barocke Kanzelaltar vor den gotischen Chorraum gestellt, der seit dem nur noch als Sakristei diente. Das Langschiff der Kirche von 1781 wurde mit einem hölzernen Tonnengewölbe und Emporen ausgestattet. Im Jahr 1934 wird der barocke Kanzelaltar entfernt und der Triumphbogen wieder geöffnet, so dass der gotische Chorraum wieder seine Bestimmung als Altarraum erhält.
1962 wird das Langhaus der Kirche bei einem Unwetter stark beschädigt und nur provisorisch in der Form umgebaut, wie sie heute zu sehen ist: Die Seitenemporen werden entfernt, eine Flachdecke aus Pressholzplatten, die sich heute aufgrund der Feuchtigkeit stark durchbiegen, wird eingezogen und der Raum unter der Westempore wird als Winterkirche abgetrennt.
Wir sind dankbar, dass im Herbst 2008/Winter 2009 in einem ersten Schritt das vollkommen durchgefaulte Fachwerk über den Chorraum für insgesamt 105.000 € erneuert wurde. Ein zweiter großer Sanierungsschritt konnte dann 2013 mit der Sanierung des Kirchenschiffs abgeschlossen werden – jeweils durch Unterstützung der Gerhard- und Katharina-Hoffmann-Stiftung und Lotto-Toto Sachsen-Anhalt. 2018 ist der Fußboden der Winterkirche erneuert wurden.

Kirche Questenberg

Wer die an den Wochenenden meist geöffnete Kirche von Questenberg betritt, kann sich an den baulichen Fortschritten freuen: Eine wunderbare Kirche, eingebettet in den Ort Questenberg!    Die beiden folgenden Bilder zeigen den Zustand vor und Renovierung des Kirchenschiffs

Glaskunstfenster in Questenberg

Eine Besonderheit in Questenberg sind die wunderschönen Glaskunstfenster. Durch die Vermittlung von Dr. Holger Brülls vom Landesamt für Denkmalpflege in Halle hatte sich 2012 Hubert Spierling, einer der profiliertesten Glaskünstler weltweit, den gotischen Questenberger Chorram angeschaut und sich sofort bei Fam. Sieblist willkommen gefühlt. Hubert Spierling (1925-2018) war einer der bekanntesten Vertreter der klassischen Moderne in Deutschland. Die Questenberger Fenster sind sein letztes großes Werk. Er hat sich von dem großen gotischen Christus-Kreuz anregen lassen und die drei unterschiedlich großen Fenster als drei Perspektiven auf das Kreuz Christi gestaltet:

Das kleine violette Fenster steht mit der Passionsfarbe violett für Leiden und Sterben Jesu und seine Wunden, wobei der weiße Kreuzmittelbalken aber schon auf die die Herrlichkeit Gottes verweist. Das mittlere blaue Fenster blickt auf die Auferstehung: In der Mitte ist ein offenes Felsgrab angedeutet, und das Blau steht für Leben und Lebenswasser. Das größte Fenster, das sich an der Südseite befindet, nimmt das Braun des Kreuzes auf, das sich aber zu einem Lebensbaum mit großen Früchten entwickelt.
Dass wir diese wirklich einzigartigen Fenster nun in der Questenberger Kirche haben, ist nur durch die Unterstützung der Kreissparkasse Mansfeld-Südharz, der Gerhard und Katharina Hoffmann-Stiftung (Hamburg) und Lotto-Toto Sachsen-Anhalt gelungen. Herzlichen Dank!

Rückblick: Sanierung Kirchenschiff Questenberg 2013

Ende April 2013 hatten die Sanierungsarbeiten an der Questenberger Kirche begonnen. Zuerst wurde das Dach des Kirchenschiffs abgedeckt und so entlastet, damit der neue Ringanker eingezogen werden kann, der seit dem Brand 1962 einfach nicht vorhanden war. Folge des fehlenden Ringankers waren starke Risse in der Mauer, insbesondere über den Fenster. Nach dem einbau der Ringanker wurde dann das Dach wieder neu mit traditionellen Kremperziegeln in „Harzer Bunt“ gedeckt. Im Innenraum wurde anschließend die Decke erneuert, da die ebenfalls aus den sechziger Jahren stammenden Presspanplatten durch die Feuchtigkeit vollkommen kaputt waren. Die Decke ist mit weiß lasierten Fichtenbrettern gestaltet. Wir sind dankbar, dass die Bauarbeiten mit Unterstützung der Gehard-und-Katharina Hoffmann-Stiftung und Lotto-Toto möglich geworden sind – ohne diese Hilfe hätte die Kirchengemeinde die Bausumme von 76.000 Euro nie aufbringen können. Ebenfalls von Herzen sind wir dankbar für den großen Einsatz von Ulrich Sieblist, Rene Schmidt, Otto und Anderen: Da einmal ein Gerüst außen und innen (für Decke) aufgebaut war, haben sie gemeinsam den Putz außen und innen ausgebessert und die gesamte Kirche außen und innen zweimal neu gestrichen – eine Arbeit, für die wir keine Firma hätten bezahlen können. Auch die Lasur der Decke und das Ausbessern der Kirchenbänke durch Kurt Trinkaus geschahen in Eigenleistung.

Zerstörung 1962 und Wiederaufbau bis 1966

Das Bild der heutigen Kirche wird wesentlich durch die Ereignisse der sechziger Jahre bestimmt. Im Jahr 1962 wurde die  Kirche wurde durch ein Unwetter mit Blitzeinschlag im zur Ruine. Teile des Dachstuhls und der Emporen waren abgebrannt, ein Teil des Daches in die Kirche gestürzt. Bis dahin war der Kirchenraum mit Doppelempore und dem großen Altar barock geprägt, und auch das Dach hatte seine besondere Form. Nach der Zerstörung von weiten Teilen des Kirchenschiffs wurde versucht, die Kirche notdürftig zu sichern, was nicht gelang. Erst im folgenden Jahr konnte am 12. September 1963 ein erster Bauabschnitt beginnen, der durch die Unterstützung des Gustav-Adolf-Werkes möglich wurde. Das Bauziel bestand darin, alle kirchlichen Räume – Gottesdienstraum, Gemeinderaum, Abstellraum unter ein Dach zu bringen, da auch das damals noch vorhandene Pfarrhaus stark baufällig war. Die eigentliche Erneuerung der Kirche war mühselig und es ging nur langsam voran. Zwar waren nicht nur Baufirmen am Werk, sondern auch viele Freiwillige, die die Unmengen von Schutt und verkohltem Holz heraus schafften. Das alte Dach wurde vollständig abgetragen, ebenso wie ungefähr 1m der oberen Mauerkrone. Da eine barocke Dachkonstruktion nicht wieder vom damaligen Rat des Kreises mit der Begründung des Materialmangels genehmigt wurde, ist das Dach als einfaches Satteldach neu ausgeführt wurden. Die Decke wurde mangels anderer Möglichkeiten mit einfachen Pressspan-Platten verkleidet, die sich in den Folgejahren sehr anfällig gegenüber Feuchtigkeit zeigten. Im hinteren Teil der Kirche wurde dann ein Gemeinderaum abgeteilt und mit einer einfachen Empore überbaut. Eine Besonderheit ist dabei das Mittelfenster des Gemeinderaums hin zum Altarraum, dass den verherrlichten Jesus am Kreuz zeigt. Nach über dreijähriger Bauzeit war es dann im Herbst 1966 möglich, dass der damalige Bischof Jänicke die Kirche wieder neu einweihte.  Dass die Wiederherstellung der Kirche in den sechziger Jahren der DDR gelang, war keine Selbstverständlichkeit, sondern mit viel Einsatz und Kraft aller damals Beteiligten verbunden. Trotz diverser Baumängel aus dieser Zeit wie den fehlenden Ringanker für die Dachkonstruktion hat diese Reperatur der sechziger Jahre überhaupt erst den heutigen Bestand möglich gemacht.

Die Kirche vor 1962

Bild der Kirche um 1920: Diese Form des Dachstuhls wurde beim Brand 1962 zerstört.


Innenraum der Kirche vor 1934: Der Triumphbogen ist noch mit dem Altar verschlossen, der Chorraum diente als Sakristei. Die Kirchenbänke reichen bis fast kurz vor den Altar.

Inneres der Kirche von 1934-1962: Der Chorraum wurde 1934 zum Kirchenschiff hin geöffnet und ein Steinaltar dorthin versetzt. Wahrscheinlich aus Resten der Altarkanzel wird eine neue Kanzel an die an die nördliche Seitenempore angebaut, die heute an der Südwand steht. Über die Reste des Altars gibt es ansonsten keine Angaben. Dieser Innenraum mit Doppelempore wird dann beim Blitzeinschlag und Brand 1962 zerstört.